Wozu das Ganze? Ganz einfach, um mir den ersten Eindruck zu verschaffen über die Anwendung und herausfinden, an welche Zielgruppe diese gerichtet ist, welchen Mehrwert sie für den Nutzer schafft und ob die gesamte Präsentation der App in der Öffentlichkeit einen soliden und vertrauenswürdigen Eindruck macht.
Denn seien wir mal ehrlich, wer lädt sich schon eine App auf sein Smartphone, die nicht mit Performance oder Bewertungen überzeugen kann. Da kann die App noch so unglaublich innovative Funktionen bieten – geht die trotzdem unter, im Meer der harten Konkurrenz, aufgrund von Untauglichkeit oder der schwachen Umsetzung der Anforderungen.
Zum besseren Verständnis kann man Testing auf Dating projizieren. Ich sehe ein attraktives Äußeres, erlaube mir meine Bewertung auf Basis der ersten Gespräche und lege fest, welche Zielgruppe derjenige ansteuert und mit welchen Absichten.
An dieser Stelle wird’s interessant, denn hier kommt die Obst & Gemüse Abteilung ins Spiel. Ist derjenige eine robuste Zwiebel mit unzähligen ineinander verankerten Schichten oder ein dynamischer Granatapfel mit vielseitigem Potenzial? Der Kennlernprozess startet, ich stelle Fragen und mein Informationstank nimmt Fülle an. Im Prinzip ist jeder von uns ein Tester und wir testen und manipulieren unser ganzes Leben lang und werden für Andere zu Testobjekten.
Zurück zur App. Ich habe also Informationen gesammelt und aufgrund meiner Recherche festgelegt, für welche Zwecke die App programmiert wurde, welche Nutzergruppe in welchem Alter davon profitieren soll und den groben Vergleich zu der Konkurrenz geschaffen. Die App unterstützt mit der aktuellen Version 1.6.28 nur Smartphones und ist nicht browserbasiert, somit fällt für mich der Test auf einem Computer oder Laptop weg. Im nächsten Schritt gehe ich durch alle Funktionen durch und priorisiere die, die für den Nutzer wichtig sind.
Abwechselnd fange ich an, diese Funktionen der App aus der Perspektive eines erfahrenen Nutzers und aus der Perspektive eines Anfängers auf meinem iPhone und iPad zu testen. Dieser Perspektivenwechsel ermöglicht es uns, mehr Informationen aus der App zu holen und diese schneller optimieren zu lassen.
Szenario basiert, überlege ich mir hypothetische Aktionen und prüfe die darauffolgende Reaktion der einzelnen Funktionen und der App als solcher. Mein Repertoire aus 15 Szenarien brachte mir neue Erkenntnisse über die bereits enthaltenen Möglichkeiten, die durch die App geboten sind; fehlerhafte Funktionen und die, die komplett fehlen, für den Nutzer aber wichtig wären und die App aufwerten würden.
Worst-Case-Szenario bei der wichtigen Funktion der App, ist nicht gebotene Nutzbarkeit, auch wenn diese fehlerfrei sei. Ist der Wert für den User dadurch gemindert, gibt es keine weiteren Chancen und es wird schnell vom Gerät entfernt. Daher sollten wir als Tester unsere Detektivarbeit erweitern und die Fakten und Daten auf fachlicher Ebene überprüfen. Hierzu können wir uns entweder mit den Fachexperten beraten oder zurückgreifen auf die gute und allwissende Suchmaschine unsere Wahl.
Um für ein wenig Abwechslung während meiner Arbeit zu sorgen, bringe ich Action rein und teste die App abhängig von physischen Bedingungen und Einflüssen. Ich simuliere schlechten Netzempfang, in dem ich in meinem Aufzug versuche, die App zum Laufen zu bringen, prüfe die Bedienung der App in der Sauna unter hoher Luftfeuchtigkeit und auf einem Weihnachtsmarkt bei niedrigen Temperaturen. Ob die App durch Störungen wie Anrufe, Chatnachrichten oder Wecker zum Absturz gerät oder standhaft die weite Nutzung gewährt.
Nicht zu vergessen und nicht zu unterschätzen ist die Manipulation der Geräteeinstellungen. Wie verhält sich die App, wenn die Zeitzone auf dem iPad umgestellt wurde und ich plötzlich auf der Liberty Island in New York stehe und meine Chicken-Burger und Hotdogs im Ernährungsplan einfüge, oder meine Geräte eine Zeitreise in das Jahr 2000 machen müssen.
Welche Berechtigungen werden benötigt für eine vollkommen einwandfreie Nutzung und was passiert, wenn wir der App diese verweigern. Wirklich eine Menge an Fragen und Informationen, die während der Tests entstehen können, aber es geht noch weiter. Ich persönlich bin ein dark-Mode Nutzer und frage mich, ob die App auch für unterschiedliche Modi konzipiert ist und auch alle Nuancen bedacht wurden, wenn der Wechsel von dark zu light Mode stattfindet.
So könnte die dunkle Schriftfarbe im dark Mode untergehen und die Nutzung der Funktionen erschweren, oder gar verhindern. Ein ähnlicher Fall wäre es mit der Darstellung der App im Quer- und Hochformat. Anpassung der Anzeige sowie der Dateneingabe sollte sicherlich für Querformat gegeben sein.
Zeit ist Geld, also widme ich mich den restlichen Heuristiken. Hier untersuche ich die Möglichkeiten der Angaben wie z. B. beim Geburtsdatum, Gewicht, Erkennung diverser Schriftarten der Sprachen, Sicherheitsbedingungen – Angaben bei der Registrierung und Anmeldung sowie Untersuchung der App auf Geräten mit unterschiedlichen Betriebssystemen, in mehreren Sprachen. Was natürlich nicht fehlen darf, ist die Usability Analyse.
Während einige Nebenfunktionen problemlos bedient werden können, fallen wichtige Funktionen in puncto Benutzerfreundlichkeit völlig durch. Bereiche der App, die nicht selbsterklärend und teilweise mit versteckten Funktionen versehen sind, erzeugen Anstrengung beim User und rauben ihm jegliche Motivation, die App weiterzunutzen. Und ist der Nutzer hartnäckig und die App trotz Hindernisse erkunden will und zum Support greift, muss dieser auch in einer Form zur Verfügung gestellt sein.
Wie man sieht, gibt es beim Testen kein Ende, daher testen wir priorisiert und mit wenig Aufwand, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Vollkommene Fehlerfreiheit gleicht einem Fabelwesen und kann nie garantiert werden.
Während der Testsessions konnte ich diverse Bugs dem Hersteller und seinem Team melden und diese gemeinsam durchgehen, und somit zu Verbesserungen verhelfen. Es hat sich für mich hervorragend angefühlt, einem jungen Unternehmen durch mein Feedback bei der Wertsteigerung der App nützlich zu sein, und hat mich mit noch mehr Motivation erfüllt, weiter als Tester zu arbeiten.
Bekannterweise macht Übung den Meister und wenn ich jedes Mal aus diesen Übungen neue Kenntnisse und Fähigkeiten mitnehme wie eben in diesem Fall, dann habe ich keine Zweifel, dass meine Arbeitsweise von Test zu Test optimiert wird.