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Projekt My-Nutri-Diary App

Mein erster Mobile Test

Gleich mal vorweg: Ich halte mich für einen sehr durchschnittlichen App-User. Einerseits habe ich aus meiner Vergangenheit als Linux-User gezwungenermaßen etwas technisches Verständnis, andererseits nutze ich dann doch nur sehr wenige Apps, meine Interessensfelder sind sehr überschaubar.

Vor der Ausbildung zum Softwaretester habe ich Apps auf meinem Mobiltelefon oder Tablet ausschließlich aus Eigeninteresse installiert und ausprobiert. Viele sind gekommen und gegangen, einige sind geblieben und nur wenige nutze ich wirklich regelmäßig und intensiv

Im Zuge der Ausbildung bei der Qcademy habe ich den Auftrag erhalten, die in Deutschland entwickelte Fitness- und Ernährungsapp My-Nutri-Diary systematisch zu erforschen und mehreren Tests zu unterziehen. „Super!”, dachte ich mir zunächst. Mein erstes „echtes” Testprojekt. Ein paar User-Stories später hat sich der Enthusiasmus deutlich gelegt und ist einer gewissen Enttäuschung gewichen. Mehr dazu später. 

Testing Tours oder App Speed-Dating

Die Entwickler der App legen besonderen Wert darauf, dass die App in Deutschland entwickelt wird, entsprechend strengen Datensicherheitsrichtlinien unterliegt und diese im Sinne der Nutzer/innen auch sehr ernst nimmt. Gleichzeitig bietet sie angeblich auch Gratis-Nutzern Premium Features. Ebenso beworben werden Funktionen wie Multi-cloud-based end-to-end-Lösung für fortgeschrittene Analysen, Schnittstellen zu Garmin-Produkten, Google Health, Apple, ein Standardmodus sowie ein planbasierter Modus, Datenanalyse und Erziehung (education) etc. 

Insbesondere der Sicherheitsaspekt hat mich sehr angesprochen, viel zu oft geben wir User unsere Daten bereitwillig her, ebenso der wissenschaftliche Hintergrund des Gründers und dass dieses Wissen über entsprechende Features kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Dass die App quer über mehrere Geräte nutzbar ist, finde ich prinzipiell gut. Auch wenn mein Handy sicher als Hauptgerät dienen würde, so bietet das Tablet mit dem wesentlich größeren Display sicher gewisse Vorteile. Dachte ich. 

Da ich ein Fan alter, aber guter, günstiger Hardware bin (Linux!), waren meine Testgeräte ein Samsung Galaxy S7 Mobiltelefon und ein Samsung Galaxy Tab A (2016) Tablet. Kennengelernt habe ich die App im Wesentlichen durch zwei Touren, in denen es mir darum ging, einen Überblick über ausgewählte Bereiche der App und ihre Funktionen zu gewinnen. Mein Hauptaugenmerk legte ich dabei auf den Registrierungs- und Anmeldeprozess sowie sämtliche Funktionen, die über das Hauptmenü und die dort befindlichen grafischen Darstellungen zu erreichen sind. 

Die erste Überraschung bot sich, als ich nach einer erfolgreichen Registrierung auf dem Handy noch einmal von vorne beginnen wollte und alle Userdaten löschte. Ein für die Entwickler nicht nachvollziehbarer Bug ließ mich nicht mehr registrieren, da ich im Browser (Chrome, Firefox, Samsung, Duck Duck Go, you name it) den AGBs nicht zustimmen konnte, die Buttons wurden nicht angezeigt.

Glücklicherweise hatte ich am Tablet dieses Problem nicht. Und da man die App gleichzeitig auf mehreren Geräten nutzen kann, konnte ich mich dort registrieren und danach war auch am Mobiltelefon der Login wieder möglich. Somit konnte ich den Registrierungsprozess erfolgreich abschließen und anschließend mein Profil anlegen. 

Beim Versuch, die Makronährstoffverhältnisse zu bearbeiten, entdeckte ich den nächsten Bug, einen Darstellungsfehler: Ein Fenster öffnete sich, aber nur so weit, dass ich nichts bearbeiten konnte. Als Antwort auf den Bug-Report erhielt ich die Auskunft, dass der Bug für den nächsten Release bereits korrigiert wurde.

 

In einer weiteren Tour erkundete ich nun die Funktionen, die über das Hauptmenü zu erreichen waren. 

Auch hier entdeckte ich einen Bug, nämlich bei der Darstellung der grafischen Datenanalyse. Hält man das Handy bereits quer und wählt „Vollbilddarstellung”, so wird die Grafik im Hochformat geöffnet. Generell unterstützt MND keinen Landscape-Modus. Es wäre daher konsequent, diese Funktion auch zu deaktivieren. 

Heuristic Tests 

Nachdem ich bereits bei den Tours auf etliche Bugs gestoßen war und die Usability bei mir einige Wünsche offen gelassen hatte, ging ich mit gemischten Gefühlen an die eigentlichen Tests heran. Dank eines hervorragenden Cheat Sheets (danke an Daniel Knott @dnlkntt) führte ich nun einige Testheuristiken durch: 

Pluspunkte

  •  Die parallele Verwendung auf zwei Geräten funktionierte klaglos,
  •  ebenso die Verbindung mit Google-Fit. Allerdings hatte ich dabei das Problem, dass ich den Verbindungsvorgang nicht mehr abbrechen konnte, sondern in der Funktion hängen blieb und die App killen  musste. 
  • Einer Sprachumstellung im System auf Englisch und Spanisch folgte die App nach Beendigung und neuem Öffnen problemlos. 
  • Nach der Deinstallation der App fand ich keine Datenreste auf meinem Handy (so weit das meine Kenntnisse zulassen).
  • Die App funktioniert auch noch bei sehr geringem Akkustand.
  • Sie wechselt problemlos zwischen verschiedenen Netzwerken (WIFI LTE, 3G).
  • Sie ist auch bei Interrupts (Anrufe, Nachrichten) problemlos weiter nutzbar,
  • ebenso, wenn sie in den Hintergrund tritt und man sie danach wieder aufruft.

Minuspunkte

  •  Der Landscape-Modus wird nicht unterstützt. Dann sollte er konsequenterweise abgeschaltet werden.
  •  Das Datumsformat folgt nicht dem Systemformat, sondern wird in der App eingestellt.
  •  Offline ist die App nicht sinnvoll zu nutzen, da keine Daten erfasst werden können.
  •  Auch nach dem Schließen der App kann sie wieder aufgerufen werden, ohne dass man sich erneut anmelden   muss (bei Gesundheitsdaten empfinde ich das als fragwürdig).
  •  Die Usability ist generell eher unbefriedigend.

Szenario-basierte Tests

Bei den Szenario-basierten Tests, die ich sowohl alleine als auch ausführlicher mit meinem Kollegen Rupert durchführte, entdeckte ich weitere Schwachstellen:

  •  Es gibt eine längere Liste an Unverträglichkeiten,   die man erfassen kann. Fructose-Intoleranz   gehört nicht dazu.
  • Das Löschen oder auch das Bearbeiten von bereits erfassten Eingaben ist durch das nach-links-Wischen der entsprechenden Zeilen möglich. Beim reinen Touch auf die Zeile erhält man jedoch keinen Hinweis darauf (z.B. durch Hervorheben der Zeile o.ä.).
  • Für die Erfassung der getrunkenen Wassermenge gibt es keine Möglichkeit, eine Standardmenge individuell festzulegen. Wenn mein Lieblingsglas ein eigenwilliges Maß hat, muss ich das jedes Mal eintippen. 
  • Man kann bei den Ernährungsplänen zwar zusätzlich kalorienhaltige Getränke erfassen, diese werden aber nicht in der Flüssigkeitsmenge insgesamt berücksichtigt. 
  • Man kann bei der Erstellung der Pläne durch eine Suchfunktion bereits erfasste Speisen finden. Allerdings kann man nicht alle auswählen. Offensichtlich handelt es sich dabei um Speisen, die von anderen Personen erfasst wurden. Warum werden sie mir dann überhaupt angezeigt?

Fazit

Meine generelle Herangehensweise war die Sicht eines interessierten Laien und das hat zwei ganz einfache Gründe: Einerseits hege ich keinerlei sportliche Ambitionen, die mit Leistung oder auch Leistungssteigerung verbunden sind, sondern bemühe mich, ausreichend Bewegung in meine alltäglichen Tätigkeiten und Wege zu integrieren. Dazu dienen mir meine Beine und mein Fahrrad, gelegentliches Wandern sowie Inline-Skaten oder Schwimmen in der warmen Jahreszeit gehören zu meinen „sportlicheren” Hobbys. Zwar bin ich mir der Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung bewusst und versuche, mich nicht allzu unvernünftig zu ernähren. Gleichzeitig hat meine Trägheit aber bisher stets verhindert, mich tiefer in diese Thematik einzuarbeiten. 

Leider hat diese App keinen Beitrag dazu leisten können, meine Ambitionen deutlich zu steigern. Natürlich ist das Thema kein ganz einfaches, My-Nutri-Diary hat es aber auch einfach nicht geschafft, mich dafür zu begeistern. Weder durch eine besonders ansprechende Gestaltung noch durch eine einfache Bedienung. Hätte ich nicht die Aufgabe gehabt, sie kennenzulernen und zu testen, so hätte ich die App schon nach wenigen Minuten wieder deinstalliert (mein Handy hat nur 32 GB internen Speicher, da ist jede nicht genutzte App zu viel). Ich weiß, der menschliche Stoffwechsel ist keine triviale Angelegenheit, aber muss mir das die App bei fast jedem Schritt beweisen? Ich habe mich  selten so wenig sicher bei der Bedienung einer Software gefühlt, hatte selten so viele Fragezeichen im Kopf und habe selten so sehr den Kopf geschüttelt. 

Learnings

Da es mein erster „echter” Test war, bin ich noch etwas unsicher an die Sache herangegangen. Meine mangelnde Fachkenntnis trug zu dieser Unsicherheit bei. Was weiß ich schon über BMI, BMR, Makronährstoffe, Energiedichte und ähnliche Begriffe? Die Testing Session mit Coach hat mir dann auch vor Augen geführt, wie dieselbe App durch einen User mit Fachkenntnis gleich noch einmal ganz anders wahrgenommen wird. Dennoch gab es auch da Grund für Kritik.

Um das Ende versöhnlich zu gestalten: Nicht nur die App hat noch eindeutige Schwächen, auch ich kann noch einiges besser machen. Der wichtigste Aspekt ist aus heutiger Sicht dabei, für mich selbst attraktive Test-Szenarien zu entwickeln und so meine Motivation fürs Testen so hoch wie möglich zu schrauben und dort zu halten. Klar, ich muss mich in ein mir fremdes Thema einarbeiten, das ist Teil meines Jobs als Softwaretester. Die Kunst dabei ist, mir selbst Lust auf das Thema der App zu machen, selbst wenn es sich um Steuersoftware oder Fitnessapps handelt. Und es gibt gewiss Themen, die mir noch viel ferner liegen. Stimmt die Motivation, dann fällt es mir auch leichter, mir ein Mindestmaß an Fachwissen zu erschließen. 

Georg Brandenburg

Georg Brandenburg

QA Engineer

Georg Brandenburg hat Volkswirtschaftslehre studiert und zusätzlich einen Master für systemischisches Coaching. Seit 2016 ist er Betreiber eines Co-Working-Spaces in Klagenfurt am Wörthersee (Businesscampus Ehrenhausen). Er ist leidenschaftlicher Community Manager und außerdem begeisterter Podcaster (MutmacherInnen).